Frank Bürger
Auslastung im Fokus von Unternehmenscontrolling & Kalkulation: Die Bedeutung der Auslastung wird in traditionellen Methoden des Unternehmens-controllings und der Kalkulation häufig unterschätzt, obwohl sie ein zentraler Kostenfaktor ist. Wird die Auslastung nicht berücksichtigt, führt dies zu gravierenden Fehlbewertungen der Kosten, was wiederum Analysen, Ergebnisse und Steuerungsvorgaben des Unternehmens stark verfälscht.
Diese Lücke stellt eine erhebliche Gefahr für die korrekte Unternehmensführung und für die Funktion ‚Kalkulation‘ dar, da zentrale Entscheidungsgrundlagen auf fehlerhaften Daten basieren.
Einleitung
Der Wirtschaftsstandort Deutschland befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Industrieunternehmen bewerten die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zunehmend kritisch, was die Alarmglocken schrillen lässt (Der Spiegel, „Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel“, 20.11.2024).
Besonders die Basis der deutschen Wirtschaft, die Industrie, verzeichnet erhebliche Rückgänge in den Umsätzen und damit in der Auslastung.
Dies führt zu einer durchschnittlichen Auslastung von nur 79,4 % in deutschen Unternehmen, weit unter der optimalen Marke von 93 % (IHK, Industriekonjunktur, Herbst 2024).
Die Konsequenzen dieser Unterauslastung sind weitreichend und kritisch, da sie nicht nur die Rentabilität der Unternehmen beeinträchtigen, sondern auch durch eine bisher grundsätzlich fehlende Berücksichtigung in gängigen Kostenrechnungs- und Steuerungssystemen zu fehlerhaften Entscheidungen führt. (vgl. Günther und Gonschorek, 2021, S. 89).
1. Die Bedeutung des Leistungsverlusts der Fertigung
Der ‚Leistungsverlust der Fertigung‘, der heute grundsätzlich als vierte Gemeinkostenfaktor mit der Summe aus statischer Verlustleistung und dynamischer Verlustleistung (Auslastung) definiert wird (Bürger, F., 2020: valueforce), beschreibt die Kosten, die durch Unterauslastung der Kapazitäten entstehen.
Bei einer sinkenden Auslastung bleiben viele Fixkosten (z. B. Miete, Maschinen-kosten, Personalkosten) bestehen, selbst wenn weniger produziert und verkauft wird.
Da diese Fixkosten auf eine geringere Produktionsmenge (Absatzleistung) verteilt werden, erhöhen sich die Stückkosten. Ohne Berücksichtigung dieser „verlorenen“ Kostenanteile werden Produktkalkulationen und Kostenanalysen verfälscht.
Die Produktpreise, die auf dieser Basis festgelegt werden, sind zu niedrig und decken die tatsächlichen Kosten nicht. Dies ist auch die Ursache, dass der bisher kalkulierte Gewinnaufschlag sich von der erwirtschaften Rendite merklich unterscheidet.
Alle Kosten und die Umsatzrendite können nur über die aktuelle Absatzleistung erwirtschaftet werden. Ohne die Berücksichtigung dieser verlorenen Kostenanteile entstehen folgende oft unterschätzte Probleme:
- Fehlkalkulationen: Stückkosten werden zu niedrig berechnet, was zu ungenügenden Produktpreisen führt (vgl. Küpper, 2021, S. 72).
- Rentabilitätsrisiken: Die tatsächlichen Kosten können die Gewinne übersteigen, ohne dass dies erkannt wird.
- Fehlende Effizienzsteigerung: Ein Nicht-Ausweisen der massiven Kosten durch Leistungsverluste schafft keinen Anreiz zur Optimierung der Kapazitätsnutzung (vgl. Wagner und Spengler, 2020, S. 14)
Die beispielhafte ptc-Studie „Die 6 großen Verluste in der Fertigung verstehen“ betont, dass Leistungsverluste in der Fertigung häufig nicht transparent gemacht oder transparent gemacht werden können (Ursache: Fehlende Methodik und einem bisher fehlenden dazu befähigten IT-Werkzeug), was immer zu einer signifikanten Verzerrung der realen Kosten führt (ptc, 2024).
Ohne die Berücksichtigung der Auslastung als einer der zentralen Haupt-Kostentreiber in Unternehmen ist ein reales Unternehmenscontrolling, eine effektive Unternehmenssteuerung und die dringend notwendige Kalkulationsgüte schon theoretisch ausgeschlossen
2. Fehlende Integration in traditionelle Kostenrechnungssysteme
Die Vernachlässigung des Leistungsverlusts in traditionellen Kostenrechnungs-systemen wie der Zuschlagskalkulation oder der Kalkulation mit Maschinen-Stundensätzen ist ein zentraler Schwachpunkt. Dies führt zu einer Verzerrung der tatsächlichen Kostenstruktur und setzt falsche Anreize. Unternehmen können dadurch unbemerkt in eine existenzielle Krise geraten, da die finanzielle Realität nicht korrekt abgebildet wird (vgl. Horváth, 2019, S. 221).
Auswirkungen auf die Unternehmenssteuerung:
- Fehlentscheidungen in der Preisgestaltung und Investitionsplanung: Optimistische Kostenschätzungen können zu Verlusten führen (vgl. Brühl, 2020, S. 112).
- Verdeckte Risiken in der Rentabilitätsplanung: Nicht erkannte Fixkosten-verluste schmälern die Unternehmensgewinne.
- Ineffiziente Fehlersuche: Unternehmen suchen die Ursache für Verluste häufig im Rechnungswesen, während der eigentliche Grund in der unzureichenden Berücksichtigung des Leistungsverlusts liegt.
Die Berücksichtigung und der fehlerfreie Umgang mit dem Kostentreiber Auslastung muss als „Quantensprung im Unternehmenscontrolling und -steuerung“ betrachtet werden, wie auch in der Kalkulationsmethodik, da er die Transparenz und Verrechnung über Fixkosten und deren Einfluss auf Rentabilität erheblich gegenüber den alten bisherigen Controlling- und Kalkulationsmethoden verändert. (Hübner, 2024).
Bei dem Durchschnittsunternehmen der Metall-, Kunststoff- und Elektroindustrie im Wirtschaftsstandort Deutschland verändern sich alle 17 aktuellen Leistungs- und Wettbewerbsfaktoren, sowie die Gemeinkostenfaktoren durch eine Auslastungs-reduzierung von 93% auf 79,4% wie folgt ganz erheblich:Bereitstellung der IT Berechnung © valueforce
Sichtbar wird sofort der kritische Zusammenhang bei der Auslastungsveränderung von 93% auf 79,4% zwischen der ‚Verlustleistung der Fertigung‘ und dem immensen direkten Rendite-Verlust.
3. Ursachen für die Vernachlässigung der Auslastung
Die fehlende Berücksichtigung von Auslastungseffekten ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen:
- Traditionelle Methoden: Die weiterhin verbreitete Nutzung historisch etablierter, jedoch unzureichender Kostenrechnungsmethoden wie der Zuschlagskalkulation (vgl. Prof. Dr. Hoffjan, 2017).
- Vereinfachung und Kosten: Moderne IT-Systeme zur präzisen Analyse von Kapazitätsauslastungen gelten als aufwendig und teuer in der Implementierung (vgl. Schäfer und Malz, 2021, S. 108).
- Unzureichende Ausbildung: In Hochschulen liegt ein deutlicher Fokus auf idealisierten Kalkulationsmodellen, die konstante Auslastungen voraussetzen. Schwankende Kapazitätsauslastungen und ihre Auswirkungen auf Kostenstrukturen werden nur unzureichend vermittelt (vgl. Prof. Dr. Boehle, 2022).
4. Anpassungsbedarf in der Hochschullehre
Die Hochschullehre spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung moderner Controlling- und Kalkulationsmethoden. Zukünftige Führungskräfte müssen die Auswirkungen von Kapazitätsauslastung auf die Kostenstruktur verstehen, um in der Praxis fundierte Entscheidungen zu treffen.
Empfehlungen für die Hochschullehre:
- Praxisnahe Fallstudien und Simulationen: Szenarien mit variierender Auslastung veranschaulichen die realen Auswirkungen auf Kostenstrukturen (vgl. Günther und Gonschorek, 2021, S. 128). Prof. Marco Boehle betont: „Der Wandel des Controllings hin zum digitalen Kompass für die Führung in Unternehmen ist unumgänglich“ (Boehle, 2022).
- Integration moderner IT-Systeme: Tools zur detaillierten Kostenanalyse sollten Teil der Ausbildung werden. Laut Schäfer und Malz (2021) gewinnen Business-Intelligence-Leistungs-Management-Systeme zunehmend an Bedeutung in der Unternehmenspraxis.
- Interdisziplinäre Perspektiven: Die Verknüpfung betriebswirtschaftlicher und technischer Inhalte kann das Verständnis für komplexe Kosten- und Produktionszusammenhänge vertiefen (vgl. Brühl, 2020, S. 156)
- Blick in die Praxis: Die Entwicklung neuer Lösungen ist in der Praxis durch den hohen Leistungs- und Wettbewerbsdruck massiv. Dies sollte von den Hochschulen endlich zwingend beobachtet, bewertet und wenn nötig die Hochschullehre zeitnah angepasst werden. Gerade die Betriebswirtschaft hat hier einen zentralen und zwingenden Nachholbedarf, wie ergänzend eine Promotion an der TU Dortmund in einer umfassenden und genauen Analyse feststellen musste.
5. Handlungsempfehlungen für Unternehmen
Unternehmen müssen die Bewertung ihrer Auslastungssituation in die Controlling-Strategien einbinden. Folgende Maßnahmen sind zu priorisieren:
- Einsatz moderner IT-Systeme: Business-Intelligence-Systeme ermöglichen eine transparente Darstellung der Auslastungseffekte (vgl. Schäfer und Malz).
- Integration von Auslastungskennzahlen: Die Berücksichtigung von Leistungsverlusten in der Kalkulation verhindert Fehlentscheidungen in allen Bereichen und Funktionen eines Unternehmens.(vgl. Kaplan und Anderson, 2004).
- Schulung der Führungskräfte: Ein besseres Verständnis der Kostenstruktur fördert fundierte Entscheidungen, reduziert Risiken, vermeidet bestmöglich Krisen und steigert nachhaltig die Effizienz und Unternehmens-Resilienz.
- Informationen: In der heutigen dynamischen und globalen Welt sind Informationen von ganz zentraler Bedeutung. Sie sollten viel mehr von Entscheidern und Fachleuten beachtet werden(Empfehlung: Die Fachzeitschrift Controlling, das Internet Controlling-Portal und das neue Informationsportal Controlling-Paper)
Schlussfolgerung
Die bisher nicht nur unzureichende, sondern fehlenden Berücksichtigung von Auslastungseffekten in der Unternehmenssteuerung und Kostenrechnung stellt ein erhebliches Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Industrieunternehmen dar.
Ein reales Unternehmenscontrolling und die Güte von Kalkulationen werden durch die bislang fehlende Berücksichtigung der massiven Kostenauswirkungen von Auslastungsreduzierungen erheblich negativ beeinflusst.
Um in dynamischen Märkten langfristig erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen, Hochschulen sowie Wirtschaftsinstitute und Verbände ihre Methoden, Ansätze und die Aufklärungsverantwortung grundlegend überdenken.
Die Reduzierung der globalen Wettbewerbsfähigkeit ist eng mit der Auslastungsproblematik als zentralem Kostentreiber verzahnt.
Eine präzise Einbindung der Leistungsverluste der Fertigung als Kernvariable sowie die Implementierung moderner Controlling-Methoden sind essenziell, um fehlerhafte Kalkulationen zu vermeiden, sowie wichtige operative und strategische Entscheidungen fundiert, d.h. auf moderne entscheidungssichere Soll-Ist-Vergleiche zu treffen.
Nur durch ein konsequentes Umdenken und die aktive Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Forschung und Lehre kann der Wirtschaftsstandort Deutschland zukunftsfähig gestaltet und gegen existenzielle Krisen abgesichert werden.
Die Berücksichtigung der Auslastung als zentralen Kostentreiber ist essenziell für eine effektive und fundierte Unternehmenssteuerung. Neben der Bewertung der globalen Wettbewerbsfähigkeit und der Feststellung der aktuellen oder notwendigen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens spielt die Auslastung eine entscheidende Rolle, um die Qualität der Kalkulation zu sichern und tragfähige Entscheidungen im Unternehmenscontrolling zu ermöglichen.
- Ohne die Berücksichtigung des Hauptkostentreibers ‚Auslastung‘ gibt es kein reales Unternehmenscontrolling, kein Frühwarn- und Überwachungssystem und keine notwendige Kalkulationsgüte.
- Eine fehlende Berücksichtigung des Hauptkostentreibers ‚Auslastung‘ stellt ein K.O- Kriterium für die eingesetzte Methodik und IT-Lösungen dar.
Literaturverzeichnis
- Boehle, M. (2022): „Wandel des Controllings zum digitalen Kompass für Führung in Unternehmen“, Controlling Portal.
- Brühl, R. (2020): Kosten- und Leistungsrechnung. 4. Auflage. München: Vahlen.
- Bürger, F. (2020): „Leistungsverluste der Fertigung als vierte Gemeinkostengröße“, valueforce.
- Günther, T. & Gonschorek, T. (2021): Kostenmanagement und Controlling. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Hübner, F. (2024): „Quantensprung im Unternehmenscontrolling und -steuerung“, Controlling Portal.
- Hoffjan, A. (2017): „Strukturelle Schwächen traditioneller Kostenrechnungsmethoden“, Controlling, 01/2017.
- Horváth, P. (2019): Controlling. 14. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
- IHK (2024): „Industriekonjunktur Herbst 2024: Industrie rutscht in die Rezession“, IHK Deutschland.
- Kaplan, R. S. & Anderson, S. R. (2004): Time-Driven Activity-Based Costing. Boston: Harvard Business Review Press.
- Küpper, H. (2021): Einführung in die Kostenrechnung. 6. Auflage. Berlin: De Gruyter.
- ptc (2024): „Die 6 großen Verluste in der Fertigung verstehen“, 4. März 2024.
- Schäfer, M. & Malz, T. (2021): „Die Zukunft des Controllings: Business Intelligence im Fokus“, Controlling Praxis.
- Der Spiegel (2024): „Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel“, 20.11.2024.
- Wagner, D. & Spengler, T. (2020): Produktionscontrolling. Wiesbaden: Springer Gabler.